Der aktuelle Beitrag unserer Kategorie „Platten to die for / fated to die“ stammt von Martin, Sänger und Gründer der Band The Boots aus dem Raum Tauferer-Ahrntal.
Die ehemalige Rock-Coverband, die sich nun auf Eigenkompositionen konzentriert, konnte bereits das Publikum bei der Local Heroes Italy – Vorausscheidung ĂĽberzeugen.
Heute erzählt uns Martin, welches Album (und die damit verbundene Philosophie) er am meisten schätzt und welche Platte sein damals 17 jähriges Britrockherz zutiefst erschüttert hat.
Platte to die for: The Velvet Underground – The Velvet Underground & Nico
FĂĽr eine Platte sterben? Niemals! Seine Seele verkaufen um ein ähnlich aufregendes, intimes und gleichzeitig so steriles Meisterwerk schaffen zu dĂĽrfen? Hmm … Vielleicht ist es ja ganz gut dass man so ein Angebot so schnell nicht bekommen wird.
Das Album sollte der Start zu etwas völlig Neuem werden. Der damals aufstrebende Avantgarde KĂĽnstler Andy Warhol war auf der Suche nach einer geeigneten Band deren Musik er mit Kunst verbinden wollte. Und er entdeckte in The Velvet Underground den idealen Partner dafĂĽr. Er finanzierte der damals noch völlig unbekannten Band ihr DebĂĽt Album, jedoch mit der Forderung die deutsche Sängerin “Nico” mit ins Boot zu nehmen.
Die Platte sollte bei Veröffentlichung auch für ordentliche Aufregung sorgen, sehr kontrovers rezensiert werden und die Kassen nicht wirklich zum Klingeln bringen. Das wundert einen auch kaum anhand des sehr unkonventionellen Sounds der Platte, der eindringlichen Texte über Sadomaso oder über das New Yorker Drogenmilieu. Und dann ist da ja noch Lou Reed der zwar nonchalant aber teils auch etwas monoton und gern auch mal einen Halbton abweisend seine ganz eigenen Melodien singt.
Das Album beginnt mit dem lieblichen “Sunday Morning” relativ brav und hat mit dem leicht Beatlesquen “Run Run Run” dem hĂĽbschen “There she goes again” oder den fĂĽr mich unbeschreiblichsten und schönsten Song der Platte “Venus in Furs” durchaus auch leicht poppige und eingängige Momente. Da ist aber noch das monotone ja fast schon penetrante Meisterwerk “I’ m waiting for the man” das einem nicht mehr loslassen will und einem sogar heute noch etwas von der, in der Tat sehr coolen, Aura dieser Band abgeben kann. Da ist das unwiderstehliche “Femme Fatale” das Nico in ihrer unnachahmlichen Art so kalt vorträgt das einem ganz anders werden könnte und der gedanklich völlig abwesend wirkende Chorus den man einfach mitsingen muss. Und natĂĽrlich ist da das Monster “Heroin” dem man wohl mit einem tiefen schwarzen Loch noch am nächsten kommt.
Wer etwas ĂĽber inspirierten ĂĽber authentischen Rock lernen will der muss wohl hier anfangen. Kaum zu beschreiben in welche Stimmungen dieser Song einen bringen kann. Das Album wird beendet mit “European Son” einem Song der sich in einem ĂĽber 6 minĂĽtigen “instrumental” förmlich in die Einzelteile auflöst. Nicht wenige wĂĽrden das rumexperimentieren auf Gitarren und John Cales Viola als den reinen Lärm bezeichnen, das tu ich ĂĽbrigens auch; und behaupte aber: Selten oder nie mehr wird Lärm noch einmal so fesselnd so inspirierend sein können wie in diesem Song.
Dieses Album als für The Boots meist prägendste Album zu nennen wäre vielleicht etwas übertrieben, zu verschieden sind unsere Musikrichtungen. Jedoch wollen wir durchaus etwas von dem Feeling dieser großartigen Band miteinbringen. Die Philosophie dass Stimmung und Authenzität in Texten und Musik noch vor instrumentaler und stimmlicher Finesse kommt, ist durchaus eine die wir mit The Velvet Underground teilen können. Kleiner Tipp: Unbedingt bei Möglichkeit auf Vinyl anhören.
Platte fated to die: Stereophonics – You Gotta Go There To Come Back
Mit ihrem Debüt “World gets around” sowie seinem Nachfolger „Performance and Cocktails“ haben es die Stereophonics in mein damaliges 17 jähriges „Britrockherz“ geschafft. Sie nahmen darin sogar einen kleinen Ehrenplatz ein. Dann kam „Just Enough Education To Perform“ und ich wurde zum ersten Mal etwas enttäuscht. Das klang für mich schon damals etwas überproduziert und leicht heuchlerisch. Richtig erschüttert wurde mein junges Herz dann aber mit „You gotta there come back“, ein furchtbar enttäuschendes Album. Es traf mich auch recht unerwartet, da mir die Vorabsingle des Albums „Maybe Tomorrow“ durchaus noch zu gefallen wusste.
Mit dem Album verspielte die britische Band bei mir jedoch jeden Credit. Die Songs sind überladen, alles Lässige wurde abgelegt und somit für die teils arg unnötigen Streicher Platz gemacht. Die rauchige Stimme Jones wollte mich nicht mehr berühren, im Gegenteil, sie erinnerte mich plötzlich nur noch an gruselige „Rockballadensänger“ wie Rod Steward. Eine Enttäuschung auf der ganzen Linie. Und damit war die Band für mich dann auch gestorben.
Ps: Natürlich gibt es noch weit schlimmere Alben, ich muss hier ein paar Favoriten wohl gar nicht nennen (Modern Talking, Ottawan, diverse „Superstars“ …) . Jedoch besitze ich Gott sei dank nichts dieser sogenannten „Künstler“.
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